Der schwere Traum
Ich hab die Nacht geträumet
Wohl einen schweren Traum
Es wuchs in meinem Garten
Ein Rosmarienbaum
Der Kirchhof war der Garten
Das Blumenbeet ein Grab
Und von dem grünen Baume
Fiel Blüt und Krone ab
Die Blätter tut ich sammeln
In einem goldnen Krug
Der fiel mir aus den Händen
Dass er in Stücke schlug
Draus sah ich Perlen rinnen
Und Tröpfchen, rosenrot
Was soll der Traum bedeuten?
Sag Liebster, bist Du tot?
Sag Liebster, bist Du tot?
Es geht eine dunkle Wolk herein
Es geht eine dunkle Wolk herein.
Mich deucht, es wird ein Regen sein,
ein Regen aus den Wolken
wohl in das grüne Gras.
Und kommt die liebe Sonn nit bald,
so weset alls im grünen Wald;
und all die müden Blumen,
die haben müden Tod.
Es geht eine dunkle Wolke herein.
Es soll und muß geschieden sein.
Ade Feinslieb, dein Scheiden
macht mir das Herze schwer.
Schwesterlein, wann gehn` wir nach Haus
Schwesterlein, Schwesterlein,
Wann gehn wir nach Haus?
Morgen wenn die Hahnen krähn,
Woll´n wir nach Hause gehn,
Brüderlein, Brüderlein,
Dann geh´n wir nach Haus.
Schwesterlein, Schwesterlein,
Wann geh’n wir nach Haus?
Morgen, wenn der Tag anbricht,
Eh end’t die Freude nicht,
Brüderlein, Brüderlein,
Der fröhliche Braus.
Schwesterlein, Schwesterlein,
Wohl ist es Zeit.
Mein Liebster tanzt mit mir.
Geh ich, tanzt er mit ihr.
Brüderlein, Brüderlein,
Laß du mich heut.
Schwesterlein, Schwesterlein,
Was bist du blaß?
Das macht der Morgenschein
Auf meinen Wängelein,
Brüderlein, Brüderlein,
Die vom Taue naß.
Schwesterlein, Schwesterlein,
Du wankest so matt.
Suche die Kammertür,
Suche mein Bettlein mir,
Brüderlein, es wird fein
Unterm Rasen sein.
Wildvögelein
Es saß ein klein wild Vögelein
auf einem grünen Ästchen;
es sang die ganze Winternacht,
die Stimme mußt ihm klingen.
Sing du mir mehr, sing du mir mehr
Du kleines wildes Vöglein!
Ich will schreiben auf deine Flügel
Mit gelben Gold und grüner Seid.
Behalt dein Gold und dein Seid,
ich will dir nimmer singen;
ich bin ein klein wild Vögelein,
und niemand kann mich zwingen.
Geh nur herauf aus diesem Tal,
der Reif wird dich auch drücken.
Drückt mich der Reif, der Reif so kalt,
Die Sonn wird mich erquicken.
Der Lindenbaum
Am Brunnen vor dem Tore
Da steht ein Lindenbaum:
Ich träumt in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort;
Es zog in Freud und Leide
Zu ihm mich immer fort.
Ich mußt auch heute wandern
Vorbei in tiefer Nacht,
Da hab ich noch im Dunkel
Die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten,
Als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
Hier findst du deine Ruh!
Die kalten Winde bliesen
Mir grad ins Angesicht,
Der Hut flog mir vom Kopfe,
Ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
Entfernt von jenem Ort,
Und immer hör ich´s rauschen:
Du fändest Ruhe dort!
Es waren zwei Königskinder
Es waren zwei Königskinder,
die hatten einander so lieb,
sie konnten beisammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief, das Wasser war viel zu tief.
Ach Liebster, könntest du schwimmen,
so schwimm doch herüber zu mir!
Drei Kerzen will ich anzünden,
und die sollen leuchten zu dir.
Das hört ein falsches Nönnchen,
die tät als wenn sie schlief;
sie tät die Kerzelein auslöschen,
der Jüngling ertrank so tief..
Ach Fischer, liebster Fischer,
willst du verdienen groß Lohn,
so wirf dein Netz ins Wasser
und fisch mir den Königssohn!
Er warf das Netz ins Wasser,
er ging bis auf den Grund;
er fischte und fischte so lange,
bis er den Königssohn fand.
Sie schwang sich um ihren Mantel
und sprang wohl in die See:
Gut Nacht, mein Vater und Mutter,
ihr seht mich nimmer mehr!
Die Gedanken sind frei
Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten,
Sie fliehen vorbei,
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.
Ich denke, was ich will,
Und was mich beglücket,
Doch alles in der Still,
Und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
Kann niemand verwehren,
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.
Und sperrt man mich ein
Im finsteren Kerker,
Das alles sind rein
Vergebliche Werke;
Denn meine Gedanken
Zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei.
Hoch auf dem gelben Wagen
Hoch auf dem gelben Wagen
sitz ich beim Schwager vorn.
Vorwärts die Rosse traben,
lustig schmettert das Horn.
Berge Täler und Auen,
leuchtendes Ährengold,
ich möcht in Ruhe gern schauen;
aber der Wagen, der rollt.
Flöten hör ich und Geigen,
lustiges Baßgebrumm,
junges Volk im Reigen
tanzt um die Linde herum.
Wirbelnde Blätter im Winde,
es jauchzt und lacht und tollt,
ich bliebe so gern bei der Linde;
aber der Wagen, der rollt.
Postillion in der Schenke
füttert Rosse im Flug,
schäumendes Gerstengetränke
reicht uns der Wirt im Krug.
Hinter den Fensterscheiben
lacht ein Gesicht gar hold,
ich möchte so gerne noch bleiben,
aber der Wagen, der rollt.
Sitzt einmal ein Gerippe
hoch auf dem Wagen vorn,
hält statt der Peitsche die Hippe,
Stundenglas statt Horn.
Sag ich: Ade, nun, ihr Lieben,
die ihr nicht mitfahren wollt,
ich wäre so gern noch geblieben,
aber der Wagen, der rollt.
Sperber
Ritt mit stolzem Mut durch das weite Land,
einen Sperber auf behandschuhter Hand.
Sein Gefieder war weiß, war so weiß wie der Schnee
Und sein Auge so klar wie der ruhige See.
Flieg mein Sperber fort, lös Dir Kappe und Band,
warst so stille dort auf behandschuhter Hand.
Und nun steigst Du empor in die wolkigen Höhn,
dass mein Blick Dich verlor, kann Dich nimmer erspähn.
Kehrst Du einst zurück aus dem weiten Land
streck ich aus voll Glück die behandschuhte Hand.
Und ich seh Dein Gefieder so weiß wie der Schnee
Und Dein Auge so klar wie der ruhige See.